Der Anfang vom Ende des gedruckten Wortes

Die New York Times hat es geschafft. Die verkaufte digitale Auflage hat die Printauflage wochentags überholt. Hierzulande wird die Debatte über Bezahlstrategien immerhin realitätsnaher.

Das Audit Bureau of Circulations (ABC) legte gestern die offiziellen Zahlen vor: 807.000 digitale Exemplare verkaufte die New York Times im März 2012 an Wochentagen. Das sind immerhin 27.000 mehr als die gezählte Printauflage von 780.000. Lediglich am Wochenende hat Print noch die Nase vorn.

Deutsche Verlage haben vielfach angekündigt, dem Vorbild aus den USA folgen zu wollen. Große und kleine Medienhäuser wollen künftig mehr Inhalte digital verkaufen. Gesicherte Prognosen gibt es dabei nicht: Wer morgen digital verkaufen will weiß heute in der Regel nicht, wie zahlungsfreudig die Kundschaft letztlich sein wird.

Erste Zahlen in Deutschland sind eher ernüchternd: iPad und iPhone-Ausgaben der meisten Pubilkumstitel bedeuten meist hohe Investitionen in die Entwicklung, im negativen Fall auch hohe Kosten für Redaktion und Weiterentwicklung im laufenden Betrieb. Die meisten Android-Ausgaben sind noch gar nicht fertig. Content ist nicht leicht zu verkaufen.

Nun wird parallel vieler Orten an Paid-Strategien für reguläre Inhalte geschraubt. Die Herausforderungen sind zahlreich und lesen sich wie eine zu lang geratene Litanei: Strategie festlegen, technische Grundlagen schaffen, Bezahlwege öffnen, bezahlwürdige Inhalte finden, Kommunikation zum Leser aufbauen, Marketing erdenken, Zeitpunkt finden, interne Prozesse umstellen.

Mit wem auch immer man darüber in den letzten Monaten spricht, deutsche Verlagsmanager sind erstaunlich realistisch. Die Hoffnung ist vor allem, das digitale Geschäft langfristig zu erschließen. Niemand rechnet damit, dass die Kunden in Scharen „hurra“ schreien, wenn künftig immer mehr Inhalte im Internet bezahlt werden sollen.

Reichweite sinkt, Verkaufsvorgang komplex

Die zentralen Fragen scheinen (in meiner Wahrnehmung) im Grundsatz beantwortet: Muss für einen Inhalt bezahlt werden, sinkt die Reichweite dramatisch (oftmals auf ca. zehn Prozent des Ursprungsniveaus). Eine Herausforderung ist also, Reichweite (also Werbeerlöse) zu erhalten, während Kunden künftig für einen Teil der Inhalte zahlen sollen.

Der „Verkaufserfolg“ hängt dabei maßgeblich davon ab, wie attraktiv Produkt und Preis sind – und wie leicht der eigentliche Bezahlvorgang ist. Die wesentlichen Bezahlmittel sind Kreditkarte, Paypal, Lastschrift und Handyabrechnung (abhängig von der Höhe des Preises). Stammkunden wollen darüber hinaus Guthaben und hinterlegte Zahlwege sehen. Und: Je sanfter die Hinführung zum Bezahlvorgang, desto besser. Erst nutzen, dann registrieren, dann wenig zahlen, dann mehr zahlen – so oder ähnlich könnte die Zauberformel lauten.

Alles in allem keine leicht zu lösenden Aufgaben – da sieht man gern auf diejenigen, die den Weg bereits gegangen sind. Also beispielsweise New York Times oder Financial Times. In Gesprächen nehme ich aber auch hier eine durchaus realistische Einschätzung wahr. Der US-Medienmarkt sei deutlich spärlicher als hierzulande, heißt es dann. Zudem agierten die „Großen“ dort mit vielen Alleinstellungsmerkmalen und dank englischer Sprache auf einem weltweiten Markt.

Eine Prognose für den Verkaufserfolg deutschsprachiger digitaler Medienprodukte bleibt also schwierig. Die (aus Verlagssicht) hohen Investitionen scheinen aber trotzdem alternativlos. Es bleibt die Hoffnung, die sinkenden Printauflagen mit digitalen Produkten in Teilen kompensieren zu können.

Einzig und allein das Erdenken solcher Produkte und deren Umsetzung fällt vielfach schwer. Einige Verlage sind nicht die schnellsten, anderen fehlt schlicht das Selbstvertrauen, aus eigener Kraft digitale Produkte mit Alleinstellungscharakter auf den Markt bringen zu können. Traut Euch!

09.05.2012 | von | Noch keine Kommentare


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