Im Internet ist Hyperdistribution alles

Hyperdistribution

Ich darf Ende März zum ersten Mal in einem Seminar einen strategischen Aspekt von Internetauftritten zu beleuchten: Es geht um die Gewinnung von Reichweite im Netz. Wer da an Suchmaschinenoptimierung denkt, greift zu kurz. Das Konzept heißt Hyperdistribution.

Erstmals verwendet wurde der Begriff Hyperdistribution vom US-Journalisten Jeff Jarvis im vergangenen August. Er forderte, wenn Journalisten ihre gesellschaftliche Bedeutung behalten wollten, müssten sie sich um eine wesentliche höhere Reichweite bemühen.
Im Folgenden führte er auf, welche Kanäle für den Vertrieb journalistischer Inhalte im Netz existieren. Ich komplettiere das hier noch einmal kurz aus meiner Wahrnehmung:

– Syndizierung von Inhalten (Kooperationen)

- Embeddable Widgets (Websites, iGoogle, Netvibes)

– Schnittstellen (RSS, JSON und andere APIs)

- Alerts (Newsletter, Mail-Alerts uns SMS)
- Plattformen (Mobil, iPhone, Android, iPad, Kindle)

– Web-Communities (Twitter, Facebook, MySpace)

- Content-Plattformen (Flickr, YouTube, Slideshare, etc.)

- Suchmaschinenoptimierung

Die Botschaft ist klar: Die Nachricht muss sich ihre Nutzer suchen, nicht umgekehrt. Die wirklich guten Geschichten werden nicht einfach nur verbreitet, sie werden als Link durch das Internet weitergereicht – über Facebook, Twitter oder Blogs. Eine Regionalzeitung oder ein Blogger kann Spiegel Online in der Aufmerksamkeit schlagen, wenn er nur die richtigen Inhalte über den richtigen Kanal streut.

Nur ein paar Blogbeiträge

Ein gutes Beispiel dafür ist die Internetzensur-Kampagne im vergangenen Jahr. Blogger bestimmten die Debatte um das Löschgesetz von Familienministerin Ursula von der Leyen. Sie torpedierten die Bemühungen der Ministerin mit immer neuen Detailinformationen über die Unsinnigkeit des Vorhabens. Aus der Debatte im Netz wurde schnell eine Debatte in den Medien. Die SPD verlor bei der Wahl entscheidende Prozentpunkte für eine Regierungsbeteiligung, Bundespräsident Horst Köhler weigerte sich schließlich, das Gesetzt zu unterzeichnen, mehr als 134.000 Menschen unterschrieben eine Petition gegen das Gesetz. Kern der Kampagne waren … ein paar Blogbeiträge, die sich rasend schnell im Netz verbreiteten.

Hyperdistribution ist als Ansatz nicht neu, aber bei weitem nicht landläufig akzeptiert. In Medienhäusern und Unternehmen fehlt es an Zahlen, Strategien und Umsetzungen für erfolgreiche Hyperdistribution.

Einfach zu erklären ist das nicht. Man könnte Managern fehlende Weitsicht vorwerfen, das wäre aber vermutlich zu plump. Vielmehr verändert sich die Kommunikationswelt so rasch, dass für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar ist, wo sich Menschen (künftig) erreichen lassen.

Es geht nicht nur um Klicks

Darüber hinaus fehlen Zahlen und Vergleichswerte, die Hyperdistribution zwingend nahelegen. Wer weiß schon, wie viel Traffic er über die diversen Kanäle auf die eigene Website bekommen könnte? Lediglich die Suchmaschinenoptimierung ist akzeptiert, weil sich herumgesprochen hat, dass einige Websites mehr als die Hälfte ihres Traffics über Google bekommen. Wie viele Klicks lassen sich aber über Twitter oder Facebook erzielen?

Im Zweifelsfall wesentlich weniger. Doch bei Twitter und Facebook geht es nicht zwingend um Klicks. Es geht vielmehr um das Gespräch der Menschen, das oftmals nur auf den Plattformen selbst stattfindet. Entscheidend ist, sich an diesem Gespräch zu beteiligen – statt außen vor zu bleiben. Es geht darum, die eigenen Inhalte und Marke ins Netz zu tragen. Da ist die Zahl der Follower auf Twitter wichtiger als die Anzahl der Klicks, die sie anschließend auf der eigenen Website hinterlassen.

Darum geht es bei Hyperdistribution: Die eigenen Inhalte ins Netz zu tragen. Erst dann kommen die Nutzer auch wieder zurück. Daran, wie viele Menschen ein Angebot erreicht, bemisst sich die Bedeutung von Journalismus. Reichweite ist alles. Auch wenn sie nicht mehr zwingend auf der eigenen Website gemessen werden kann.

01.03.2010 | von | Noch keine Kommentare


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